B. Relative Notwendigkeit oder reale Wirklichkeit, Möglichkeit und Notwendigkeit
1. Die Notwendigkeit, die sich ergeben hat, ist formell, weil ihre Momente formell sind, nämlich einfache Bestimmungen, die nur als unmittelbare Einheit oder als unmittelbares Umschlagen des einen in das andere Totalität sind und somit nicht die Gestalt der Selbständigkeit haben. - In dieser formellen Notwendigkeit ist daher die Einheit zunächst einfach und gegen ihre Unterschiede gleichgültig. Als unmittelbare Einheit der Formbestimmungen ist diese Notwendigkeit Wirklichkeit; aber eine solche, die - weil ihre Einheit nunmehr bestimmt ist als gleichgültig gegen den Unterschied der Formbestimmungen, nämlich ihrer selbst und der Möglichkeit - einen Inhalt hat. Dieser als gleichgültige Identität enthält auch die Form als gleichgültige, d. h. als bloß verschiedene Bestimmungen und ist mannigfaltiger Inhalt überhaupt.
Diese Wirklichkeit ist reale Wirklichkeit.
Die reale Wirklichkeit als solche ist zunächst das Ding von vielen Eigenschaften, die existierende Welt; aber sie ist nicht die Existenz, welche sich in Erscheinung auflöst, sondern als Wirklichkeit ist sie zugleich Ansichsein und Reflexion-in-sich; sie erhält sich in der Mannigfaltigkeit der bloßen Existenz; ihre Äußerlichkeit ist innerliches Verhalten nur zu sich selbst. Was wirklich ist, kann wirken; seine Wirklichkeit gibt etwas kund durch das, was es hervorbringt. Sein Verhalten zu Anderem ist die Manifestation seiner: weder ein Übergehen, so bezieht das seiende Etwas sich auf Anderes, - noch ein Erscheinen, so ist das Ding nur im Verhältnis zu anderen, ist ein Selbständiges, das aber seine Reflexion-in-sich, seine bestimmte Wesentlichkeit in einem anderen Selbständigen hat.
Die reale Wirklichkeit hat nun gleichfalls die Möglichkeit unmittelbar an ihr selbst. Sie enthält das Moment des Ansichseins; aber als nur erst die unmittelbare Einheit ist sie in einer der Bestimmungen der Form, hiermit als das Seiende von dem Ansichsein oder der Möglichkeit unterschieden.
2. Diese Möglichkeit als das Ansichsein der realen Wirklichkeit ist selbst reale Möglichkeit, zunächst das inhaltsvolle Ansichsein. - Die formelle Möglichkeit ist die Reflexion-in-sich nur als die abstrakte Identität, daß Etwas sich in sich nicht widerspreche. Insofern man sich aber auf die Bestimmungen, Umstände, Bedingungen einer Sache einläßt, um daraus ihre Möglichkeit zu erkennen, bleibt man nicht mehr bei der formellen stehen, sondern betrachtet ihre reale Möglichkeit.
Diese reale Möglichkeit ist selbst unmittelbare Existenz, nicht mehr aber darum, weil die Möglichkeit als solche, als formelles Moment, unmittelbar ihr Gegenteil, eine nicht reflektierte Wirklichkeit ist; sondern weil sie reale Möglichkeit ist, hat sie sogleich diese Bestimmung an ihr selbst. Die reale Möglichkeit einer Sache ist daher die daseiende Mannigfaltigkeit von Umständen, die sich auf sie beziehen.
Diese Mannigfaltigkeit des Daseins ist also zwar sowohl Möglichkeit als Wirklichkeit, aber ihre Identität ist nur erst der Inhalt, der gegen diese Formbestimmungen gleichgültig ist; sie machen daher die Form aus bestimmt gegen ihre Identität. - Oder die unmittelbare reale Wirklichkeit, darum weil sie unmittelbare ist, ist gegen ihre Möglichkeit bestimmt; als diese bestimmte, somit reflektierte ist sie die reale Möglichkeit. Diese ist nun zwar das gesetzte Ganze der Form, aber der Form in ihrer Bestimmtheit, nämlich der Wirklichkeit als formeller oder unmittelbarer und ebenso der Möglichkeit als des abstrakten Ansichseins. Diese Wirklichkeit, welche die Möglichkeit einer Sache ausmacht, ist daher nicht ihre eigene Möglichkeit, sondern das Ansichsein eines anderen Wirklichen; sie selbst ist die Wirklichkeit, die aufgehoben werden soll, die Möglichkeit als nur Möglichkeit. - So macht die reale Möglichkeit das Ganze von Bedingungen aus, eine nicht in sich reflektierte, zerstreute Wirklichkeit, welche aber bestimmt ist, das Ansichsein, aber eines Anderen zu sein und in sich zurückgehen zu sollen.
Was real möglich ist, ist also nach seinem Ansichsein ein formelles Identisches, das nach seiner einfachen Inhaltsbestimmung sich nicht widerspricht; aber auch nach seinen entwickelten und unterschiedenen Umständen und allem, womit es im Zusammenhange steht, muß es als das mit sich Identische sich nicht widersprechen. Aber zweitens, weil es in sich mannigfaltig und mit anderem in mannigfaltigem Zusammenhange ist, die Verschiedenheit aber an sich selbst in Entgegensetzung übergeht, ist es ein Widersprechendes. Wenn von einer Möglichkeit die Rede ist und deren Widerspruch aufgezeigt werden soll, so hat man sich nur an die Mannigfaltigkeit, die sie als Inhalt oder als ihre bedingte Existenz enthält, zu halten; woraus sich leicht ihr Widerspruch auffinden läßt. - Dies ist aber nicht ein Widerspruch der Vergleichung, sondern die mannigfaltige Existenz ist an sich selbst dies, sich aufzuheben und zugrunde zu gehen, und hat darin wesentlich die Bestimmung, nur ein Mögliches zu sein, an ihr selbst. - Wenn alle Bedingungen einer Sache vollständig vorhanden sind, so tritt sie in Wirklichkeit; - die Vollständigkeit der Bedingungen ist die Totalität als am Inhalte, und die Sache selbst ist dieser Inhalt, bestimmt, ebenso ein Wirkliches als Mögliches zu sein. In der Sphäre des bedingten Grundes haben die Bedingungen die Form, nämlich den Grund oder die für sich seiende Reflexion, außer ihnen, welche sie zu Momenten der Sache bezieht und die Existenz an ihnen hervorbringt. Hier hingegen ist die unmittelbare Wirklichkeit nicht durch eine voraussetzende Reflexion bestimmt, Bedingung zu sein, sondern es ist gesetzt, daß sie selbst die Möglichkeit ist.
In der sich aufhebenden realen Möglichkeit ist es nun ein Gedoppeltes, das aufgehoben wird; denn sie ist selbst das Gedoppelte, Wirklichkeit und Möglichkeit zu sein. 1. Die Wirklichkeit ist die formelle oder eine Existenz, die als selbständige unmittelbare erschien und durch ihr Aufheben zum reflektierten Sein, zum Moment eines Anderen wird und somit das Ansichsein an ihr erhält. 2. Jene Existenz war auch bestimmt als Möglichkeit oder als das Ansichsein, aber eines Anderen. Indem es sich also aufhebt, so wird auch dies Ansichsein aufgehoben und geht in Wirklichkeit über. - Diese Bewegung der sich selbst aufhebenden realen Möglichkeit bringt also dieselben schon vorhandenen Momente hervor, nur jedes aus dem anderen werdend; sie ist daher in dieser Negation auch nicht ein Übergehen, sondern ein Zusammengehen mit sich selbst. - Nach der formellen Möglichkeit war darum, weil etwas möglich war, auch - nicht es selbst, sondern - sein Anderes möglich. Die reale Möglichkeit hat nicht mehr ein solches Anderes sich gegenüber, denn sie ist real, insofern sie selbst auch die Wirklichkeit ist. Indem sich also die unmittelbare Existenz derselben, der Kreis der Bedingungen, aufhebt, so macht sie sich zum Ansichsein, welches sie selbst schon ist, nämlich als das Ansichsein eines Anderen. Und indem umgekehrt dadurch zugleich ihr Moment des Ansichseins sich aufhebt, wird sie zur Wirklichkeit, also zu dem Momente, das sie gleichfalls selbst schon ist. - Was verschwindet, ist damit dies, daß die Wirklichkeit bestimmt war als die Möglichkeit oder das Ansichsein eines Anderen und umgekehrt die Möglichkeit als eine Wirklichkeit, die nicht diejenige ist, deren Möglichkeit sie ist.
3. Die Negation der realen Möglichkeit ist somit ihre Identität mit sich; indem sie so in ihrem Aufheben der Gegenstoß dieses Aufhebens in sich selbst ist, ist sie die reale Notwendigkeit.
Was notwendig ist, kann nicht anders sein; aber wohl, was überhaupt möglich ist; denn die Möglichkeit ist das Ansichsein, das nur Gesetztsein und daher wesentlich Anderssein ist. Die formelle Möglichkeit ist diese Identität als Übergehen in schlechthin Anderes; die reale aber, weil sie das andere Moment, die Wirklichkeit, an ihr hat, ist schon selbst die Notwendigkeit. Was daher real möglich ist, das kann nicht mehr anders sein; unter diesen Bedingungen und Umständen kann nicht etwas anderes erfolgen. Reale Möglichkeit und die Notwendigkeit sind daher nur scheinbar unterschieden; diese ist eine Identität, die nicht erst wird, sondern schon vorausgesetzt ist und zugrunde liegt. Die reale Notwendigkeit ist daher inhaltsvolle Beziehung; denn der Inhalt ist jene ansichseiende Identität, die gegen die Formunterschiede gleichgültig ist.
Diese Notwendigkeit aber ist zugleich relativ. - Sie hat nämlich eine Voraussetzung, von der sie anfängt, sie hat an dem Zufälligen ihren Ausgangspunkt. Das reale Wirkliche als solches ist nämlich das bestimmte Wirkliche und hat zunächst seine Bestimmtheit als unmittelbares Sein darin, daß es eine Mannigfaltigkeit existierender Umstände ist; aber dies unmittelbare Sein als Bestimmtheit, ist es auch das Negative seiner, ist Ansichsein oder Möglichkeit; so ist es reale Möglichkeit. Als diese Einheit der beiden Momente ist sie die Totalität der Form, aber die sich noch äußerliche Totalität; sie ist so Einheit der Möglichkeit und Wirklichkeit, daß 1. die mannigfaltige Existenz unmittelbar oder positiv die Möglichkeit ist, - ein Mögliches, mit sich Identisches überhaupt, darum weil sie ein Wirkliches ist; 2. insofern diese Möglichkeit der Existenz gesetzt ist, ist sie bestimmt als nur Möglichkeit, als unmittelbares Umschlagen der Wirklichkeit in ihr Gegenteil - oder als Zufälligkeit. Daher ist diese Möglichkeit, welche die unmittelbare Wirklichkeit, indem sie Bedingung ist, an ihr hat, nur das Ansichsein als die Möglichkeit eines Anderen. Dadurch daß, wie gezeigt, dies Anderssein sich aufhebt und dies Gesetztsein selbst gesetzt wird, wird die reale Möglichkeit zwar Notwendigkeit, aber diese fängt somit von jener noch nicht in sich reflektierten Einheit des Möglichen und Wirklichen an; - dieses Voraussetzen und die in sich zurückkehrende Bewegung ist noch getrennt - oder die Notwendigkeit hat sich noch nicht aus sich selbst zur Zufälligkeit bestimmt.
Die Relativität der realen Notwendigkeit stellt sich an dem Inhalte so dar, daß er nur erst die gegen die Form gleichgültige Identität, daher von ihr unterschieden und ein bestimmter Inhalt überhaupt ist. Das real Notwendige ist deswegen irgendeine beschränkte Wirklichkeit, die um dieser Beschränktheit willen in anderer Rücksicht auch nur ein Zufälliges ist.
In der Tat ist somit die reale Notwendigkeit an sich auch Zufälligkeit. - Dies erscheint zunächst so, daß das real Notwendige der Form nach zwar ein Notwendiges, aber dem Inhalte nach ein Beschränktes sei und durch ihn seine Zufälligkeit habe. Allein auch in der Form der realen Notwendigkeit ist die Zufälligkeit enthalten; denn wie sich gezeigt, ist die reale Möglichkeit nur an sich das Notwendige, gesetzt aber ist sie als das Anderssein der Wirklichkeit und Möglichkeit gegeneinander. Die reale Notwendigkeit enthält daher die Zufälligkeit; sie ist die Rückkehr in sich aus jenem unruhigen Anderssein der Wirklichkeit und Möglichkeit gegeneinander, aber nicht aus sich selbst zu sich.
An sich ist also hier die Einheit der Notwendigkeit und Zufälligkeit vorhanden; diese Einheit ist die absolute Wirklichkeit zu nennen.
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