Erstes Kapitel: Die Existenz
Wie der Satz des Grundes ausdrückt: "Alles was ist, hat einen Grund oder ist ein Gesetztes, ein Vermitteltes", so müßte auch ein Satz der Existenz aufgestellt und so ausgedrückt werden: "Alles, was ist, existiert". Die Wahrheit des Seins ist, nicht ein erstes Unmittelbares, sondern das in die Unmittelbarkeit hervorgegangene Wesen zu sein.
Wenn aber ferner auch gesagt wurde, was existiert, hat einen Grund und ist bedingt, so müßte auch ebenso gesagt werden, es hat keinen Grund und ist unbedingt. Denn die Existenz ist die aus dem Aufheben der durch Grund und Bedingung beziehenden Vermittlung hervorgegangene Unmittelbarkeit, die im Hervorgehen eben dies Hervorgehen selbst aufhebt.
Insofern die Beweise von der Existenz Gottes hier erwähnt werden können, ist zum voraus zu erinnern, daß es außer dem unmittelbaren Sein erstens und zweitens der Existenz, dem Sein, das aus dem Wesen hervorgeht, noch ein ferneres Sein gibt, welches aus dem Begriffe hervorgeht, die Objektivität. - Das Beweisen ist überhaupt die vermittelte Erkenntnis. Die verschiedenen Arten des Seins fordern oder enthalten ihre eigene Art der Vermittlung; so wird auch die Natur des Beweisens in Ansehung einer jeden verschieden. Der ontologische Beweis will vom Begriffe ausgehen; er legt den Inbegriff aller Realitäten zugrunde und subsumiert alsdann auch die Existenz unter die Realität. Er ist also die Vermittlung, welche Schluß ist und die hier noch nicht zu betrachten ist. Es ist bereits oben auf das, was Kant hiergegen erinnert, Rücksicht genommen und bemerkt worden, daß Kant unter Existenz das bestimmte Dasein versteht, wodurch etwas in den Kontext der gesamten Erfahrung, d. h. in die Bestimmung eines Andersseins und in die Beziehung auf Anderes tritt. So ist als Existierendes Etwas vermittelt durch Anderes und die Existenz überhaupt die Seite seiner Vermittlung. Nun liegt in dem, was Kant den Begriff nennt, nämlich in Etwas, insofern es als nur einfach auf sich bezogen genommen wird, oder in der Vorstellung als solcher, nicht seine Vermittlung; in der abstrakten Identität mit sich ist die Entgegensetzung weggelassen. Der ontologische Beweis hätte nun darzustellen, daß der absolute Begriff, nämlich der Begriff Gottes, zum bestimmten Dasein, zur Vermittlung komme, oder wie das einfache Wesen sich mit der Vermittlung vermittle. Dies geschieht durch die angegebene Subsumtion der Existenz unter ihr Allgemeines, nämlich die Realität, welche als das Mittlere zwischen Gott in seinem Begriffe einerseits und zwischen der Existenz andererseits angenommen wird. - Von dieser Vermittlung, insofern sie die Form des Schlusses hat, ist, wie gesagt, hier nicht die Rede. Wie aber jene Vermittlung des Wesens mit der Existenz in Wahrheit beschaffen ist, dies hat die bisherige Darstellung enthalten. Die Natur des Beweisens selbst ist in der Lehre von der Erkenntnis zu betrachten. Hier ist nur anzugeben, was sich auf die Natur der Vermittlung überhaupt bezieht.
Die Beweise vom Dasein Gottes geben einen Grund für dieses Dasein an. Er soll nicht ein objektiver Grund des Daseins Gottes sein; denn dieses ist an und für sich selbst. So ist er bloß ein Grund für die Erkenntnis. Damit gibt er sich zugleich für ein solches aus, das in dem Gegenstande, der zunächst als begründet dadurch erscheint, verschwindet. Der Grund nun, der von der Zufälligkeit der Welt hergenommen ist, enthält den Rückgang derselben in das absolute Wesen; denn das Zufällige ist das an sich selbst Grundlose und sich Aufhebende. Das absolute Wesen geht somit in dieser Weise in der Tat aus dem Grundlosen hervor; der Grund hebt sich selbst auf; somit verschwindet auch der Schein des Verhältnisses, das Gott gegeben wurde, ein in einem Anderen Begründetes zu sein. Diese Vermittlung ist hiermit die wahrhafte. Allein jene beweisende Reflexion kennt diese Natur ihrer Vermittlung nicht; sie nimmt sich einerseits für ein bloß Subjektives und entfernt hiermit ihre Vermittlung von Gott selbst, andernteils aber erkennt sie deswegen nicht die vermittelnde Bewegung, daß und wie sie im Wesen selbst ist. Ihr wahrhaftes Verhältnis besteht darin, daß sie beides in einem ist, die Vermittlung als solche, aber zugleich allerdings eine subjektive, äußerliche, nämlich die sich äußerliche Vermittlung, welche sich an ihr selbst wieder aufhebt. In jener Darstellung aber erhält die Existenz das schiefe Verhältnis, nur als Vermitteltes oder Gesetztes zu erscheinen.
So kann auf der andern Seite die Existenz auch nicht bloß als Unmittelbares betrachtet werden. In der Bestimmung einer Unmittelbarkeit genommen, ist das Auffassen der Existenz Gottes für etwas Unbeweisbares und das Wissen von ihr als ein nur unmittelbares Bewußtsein, als ein Glauben ausgedrückt worden. Das Wissen soll zu diesem Resultate kommen, daß es nichts weiß, d. h. daß es seine vermittelnde Bewegung und die in ihr vorkommenden Bestimmungen selbst wieder aufgibt. Dies hat sich auch im Vorhergehenden ergeben; allein es ist hinzuzusetzen, daß die Reflexion, indem sie mit dem Aufheben ihrer selbst endigt, darum nicht das Nichts zum Resultat hat, so daß nun das positive Wissen vom Wesen als unmittelbare Beziehung auf dasselbe, von jenem Resultate getrennt und ein eigenes Hervorgehen, ein nur von sich anfangender Akt wäre; sondern dies Ende selbst, dies Zugrundegehen der Vermittlung, ist zugleich der Grund, aus dem das Unmittelbare hervorgeht. Die Sprache vereinigt, wie oben bemerkt, die Bedeutung dieses Untergangs und des Grundes; man sagt, das Wesen Gottes sei der Abgrund für die endliche Vernunft. Er ist es in der Tat, insofern sie darin ihre Endlichkeit aufgibt und ihre vermittelnde Bewegung versenkt; aber dieser Abgrund, der negative Grund, ist zugleich der positive des Hervorgehens des Seienden, des an sich selbst unmittelbaren Wesens; die Vermittlung ist wesentliches Moment. Die Vermittlung durch den Grund hebt sich auf, läßt aber nicht den Grund unten, so daß das aus ihm Hervorgehende ein Gesetztes wäre, das sein Wesen anderswo, nämlich im Grunde hätte, sondern dieser Grund ist als Abgrund die verschwundene Vermittlung; und umgekehrt ist nur die verschwundene Vermittlung zugleich der Grund und nur durch diese Negation das sich selbst Gleiche und Unmittelbare.
So ist die Existenz hier nicht als ein Prädikat oder als Bestimmung des Wesens zu nehmen, daß ein Satz davon hieße: "Das Wesen existiert oder hat Existenz", sondern das Wesen ist in die Existenz übergegangen; die Existenz ist seine absolute Entäußerung, jenseits derer es nicht zurückgeblieben ist. Der Satz also hieße: "Das Wesen ist die Existenz"; es ist nicht von seiner Existenz unterschieden. - Das Wesen ist in die Existenz übergegangen, insofern das Wesen als Grund sich von sich als dem Begründeten nicht mehr unterscheidet oder jener Grund sich aufgehoben hat. Aber diese Negation ist ebenso wesentlich seine Position oder schlechthin positive Kontinuität mit sich selbst; die Existenz ist die Reflexion des Grundes in sich; seine in seiner Negation zustande gekommene Identität mit sich selbst, also die Vermittlung, die sich mit sich identisch gesetzt hat und dadurch Unmittelbarkeit ist.
Weil nun die Existenz wesentlich die mit sich identische Vermittlung ist, so hat sie die Bestimmungen der Vermittlung an ihr, aber so, daß sie zugleich in sich reflektierte sind und das wesentliche und unmittelbare Bestehen haben. Als die durch Aufheben sich setzende Unmittelbarkeit ist die Existenz negative Einheit und Insichsein; sie bestimmt sich daher unmittelbar als ein Existierendes und als Ding.
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