Zweites Kapitel: Die Wesenheiten oder die Reflexionsbestimmungen
Die Reflexion ist bestimmte Reflexion; somit ist das Wesen bestimmtes Wesen, oder es ist Wesenheit.
Die Reflexion ist das Scheinen des Wesens in sich selbst. Das Wesen als unendliche Rückkehr in sich ist nicht unmittelbare, sondern negative Einfachheit; es ist eine Bewegung durch unterschiedene Momente, absolute Vermittlung mit sich. Aber es scheint in diese seine Momente; sie sind daher selbst in sich reflektierte Bestimmungen.
Das Wesen ist zuerst einfache Beziehung auf sich selbst, reine Identität. Dies ist seine Bestimmung, nach der es vielmehr Bestimmungslosigkeit ist.
Zweitens: die eigentliche Bestimmung ist der Unterschied, und zwar teils als äußerlicher oder gleichgültiger Unterschied, die Verschiedenheit überhaupt, teils aber als entgegengesetzte Verschiedenheit oder als Gegensatz.
Drittens: als Widerspruch reflektiert sich der Gegensatz in sich selbst und geht in seinen Grund zurück.
Anmerkung
Die Reflexionsbestimmungen pflegten sonst in die Form von Sätzen aufgenommen zu werden, worin von ihnen ausgesagt wurde, daß sie von allem gelten. Diese Sätze galten als die allgemeinen Denkgesetze, die allem Denken zum Grunde liegen, an ihnen selbst absolut und unbeweisbar seien, aber von jedem Denken, wie es ihren Sinn fasse, unmittelbar und unwidersprochen als wahr anerkannt und angenommen werden.
So wird die wesentliche Bestimmung der Identität in dem Satze ausgesprochen: Alles ist sich selbst gleich; A = A. Oder negativ: A kann nicht zugleich A und nicht A sein.
Es ist zunächst nicht abzusehen, warum nur diese einfachen Bestimmungen der Reflexion in diese besondere Form gefaßt werden sollen und nicht auch die anderen Kategorien, wie alle Bestimmtheiten der Sphäre des Seins. Es ergäben sich die Sätze z. B. "Alles ist", "Alles hat ein Dasein" usf., oder "Alles hat eine Qualität, Quantität" usw. Denn Sein, Dasein usf. sind als logische Bestimmungen überhaupt Prädikate von allem. Die Kategorie ist, ihrer Etymologie und der Definition des Aristoteles nach, dasjenige, was von dem Seienden gesagt, behauptet wird. - Allein eine Bestimmtheit des Seins ist wesentlich ein Übergehen ins Entgegengesetzte; die negative einer jeden Bestimmtheit ist so notwendig als sie selbst; als unmittelbaren Bestimmtheiten steht jeder die andere unmittelbar gegenüber. Wenn diese Kategorien daher in solche Sätze gefaßt werden, so kommen ebensosehr die entgegengesetzten Sätze zum Vorschein; beide bieten sich mit gleicher Notwendigkeit dar und haben als unmittelbare Behauptungen wenigstens gleiches Recht. Der eine erforderte dadurch einen Beweis gegen den anderen, und diesen Behauptungen könnte daher nicht mehr der Charakter von unmittelbar wahren und unwidersprechlichen Sätzen des Denkens zukommen.
Die Reflexionsbestimmungen dagegen sind nicht von qualitativer Art. Sie sind sich auf sich beziehende und damit der Bestimmtheit gegen Anderes zugleich entnommene Bestimmungen. Ferner, indem es Bestimmtheiten sind, welche Beziehungen an sich selbst sind, so enthalten sie insofern die Form des Satzes schon in sich. Denn der Satz unterscheidet sich vom Urteil vornehmlich dadurch, daß in jenem der Inhalt die Beziehung selbst ausmacht oder daß er eine bestimmte Beziehung ist. Das Urteil dagegen verlegt den Inhalt in das Prädikat als eine allgemeine Bestimmtheit, die für sich und von ihrer Beziehung, der einfachen Kopula, unterschieden ist. Wenn ein Satz in ein Urteil verwandelt werden soll, so wird der bestimmte Inhalt, wenn er z. B. in einem Zeitworte liegt, in ein Partizip verwandelt, um auf diese Art die Bestimmung selbst und ihre Beziehung auf ein Subjekt zu trennen. Den Reflexionsbestimmungen dagegen als in sich reflektiertem Gesetztsein liegt die Form des Satzes selbst nahe. - Allein indem sie als allgemeine Denkgesetze ausgesprochen werden, so bedürfen sie noch eines Subjekts ihrer Beziehung, und dies Subjekt ist Alles, oder ein A, was ebensoviel als Alles und Jedes Sein bedeutet.
Einesteils ist diese Form von Sätzen etwas Überflüssiges; die Reflexionsbestimmungen sind an und für sich zu betrachten. Ferner haben diese Sätze die schiefe Seite, das Sein, alles Etwas, zum Subjekte zu haben. Sie erwecken damit das Sein wieder und sprechen die Reflexionsbestimmungen, die Identität usf. von dem Etwas als eine Qualität aus, die es an ihm habe, - nicht in spekulativem Sinne, sondern daß Etwas als Subjekt in einer solchen Qualität bleibe als seiendes, nicht daß es in die Identität usf. als in seine Wahrheit und sein Wesen übergegangen sei.
Endlich aber haben die Reflexionsbestimmungen zwar die Form, sich selbst gleich und daher unbezogen auf Anderes und ohne Entgegensetzung zu sein; aber wie sich aus ihrer näheren Betrachtung ergeben wird - oder wie unmittelbar an ihnen als der Identität, der Verschiedenheit, der Entgegensetzung erhellt -, sind sie bestimmte gegeneinander; sie sind also durch ihre Form der Reflexion, dem Übergehen und dem Widerspruche nicht entnommen. Die mehreren Sätze, die als absolute Denkgesetze aufgestellt werden, sind daher, näher betrachtet, einander entgegengesetzt, sie widersprechen einander und heben sich gegenseitig auf. - Wenn alles identisch mit sich ist, so ist es nicht verschieden, nicht entgegengesetzt, hat keinen Grund. Oder wenn angenommen wird, es gibt nicht zwei gleiche Dinge, d. h. alles ist voneinander verschieden, so ist A nicht gleich A, so ist A auch nicht entgegengesetzt usf. Die Annahme eines jeden von diesen Sätzen läßt die Annahme der anderen nicht zu. - Die gedankenlose Betrachtung derselben zählt sie nacheinander auf, so daß sie in keiner Beziehung aufeinander erscheinen; sie hat bloß ihr Reflektiertsein in sich im Sinne, ohne ihr anderes Moment, das Gesetztsein oder ihre Bestimmtheit als solche zu beachten, welche sie in den Übergang und in ihre Negation fortreißt.
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