Drittes Kapitel: Der Grund
Das Wesen bestimmt sich selbst als Grund.
Wie das Nichts zuerst mit dem Sein in einfacher unmittelbarer Einheit, so ist auch hier zuerst die einfache Identität des Wesens mit seiner absoluten Negativität in unmittelbarer Einheit. Das Wesen ist nur diese seine Negativität, welche die reine Reflexion ist. Es ist diese reine Negativität als die Rückkehr des Seins in sich; so ist es an sich oder für uns bestimmt, als der Grund, in dem sich das Sein auflöst. Aber diese Bestimmtheit ist nicht durch es selbst gesetzt; oder es ist nicht Grund, eben insofern es diese seine Bestimmtheit nicht selbst gesetzt hat. Seine Reflexion aber besteht darin, sich als das, was es an sich ist, als Negatives zu setzen und sich zu bestimmen. Das Positive und Negative machen die wesenhafte Bestimmung aus, in die es als in seine Negation verloren ist. Diese selbständigen Reflexionsbestimmungen heben sich auf, und die zugrunde gegangene Bestimmung ist die wahrhafte Bestimmung des Wesens.
Der Grund ist daher selbst eine der Reflexionsbestimmungen des Wesens, aber die letzte, vielmehr nur die Bestimmung, daß sie aufgehobene Bestimmung ist. Die Reflexionsbestimmung, indem sie zugrunde geht, erhält ihre wahrhafte Bedeutung, der absolute Gegenstoß ihrer in sich selbst zu sein, nämlich daß das Gesetztsein, das dem Wesen zukommt, nur als aufgehobenes Gesetztsein ist, und umgekehrt, daß nur das sich aufhebende Gesetztsein das Gesetztsein des Wesens ist. Das Wesen, indem es sich als Grund bestimmt, 6/80 bestimmt sich als das Nichtbestimmte, und nur das Aufheben seines Bestimmtseins ist sein Bestimmen. - In diesem Bestimmtsein als dem sich selbst aufhebenden ist es nicht aus anderem herkommendes, sondern in seiner Negativität mit sich identisches Wesen.
Insofern von der Bestimmung aus als dem Ersten, Unmittelbaren zum Grunde fortgegangen wird (durch die Natur der Bestimmung selbst, die durch sich zugrunde geht), so ist der Grund zunächst ein durch jenes Erste Bestimmtes. Allein dies Bestimmen ist einesteils als Aufheben des Bestimmens die nur wiederhergestellte, gereinigte oder geoffenbarte Identität des Wesens, welche die Reflexionsbestimmung an sich ist; - andernteils ist diese negierende Bewegung als Bestimmen erst das Setzen jener Reflexionsbestimmtheit, welche als die unmittelbare erschien, die aber nur von der sich selbst ausschließenden Reflexion des Grundes gesetzt und hierin als nur Gesetztes oder Aufgehobenes gesetzt ist. - So kommt das Wesen, indem es sich als Grund bestimmt, nur aus sich her. Als Grund also setzt es sich als Wesen, und daß es sich als Wesen setzt, darin besteht sein Bestimmen. Dies Setzen ist die Reflexion des Wesens, die in ihrem Bestimmen sich selbst aufhebt, nach jener Seite Setzen, nach dieser das Setzen des Wesens, somit beides in einem Tun ist.
Die Reflexion ist die reine Vermittlung überhaupt, der Grund ist die reale Vermittlung des Wesens mit sich. Jene, die Bewegung des Nichts durch Nichts zu sich selbst zurück, ist das Scheinen seiner in einem Anderen; aber weil der Gegensatz in dieser Reflexion noch keine Selbständigkeit hat, so ist weder jenes Erste, das Scheinende, ein Positives noch das Andere, in dem es scheint, ein Negatives. Beide sind Substrate, eigentlich nur der Einbildungskraft; sie sind noch nicht sich auf sich selbst Beziehende. Die reine Vermittlung ist nur reine Beziehung, ohne Bezogene. Die bestimmende Reflexion setzt zwar solche, die identisch mit sich, aber zugleich nur bestimmte Beziehungen sind. Der Grund dagegen ist die reale Vermittlung, weil er die Reflexion als aufgehobene Reflexion enthält; er ist das durch sein Nichtsein in sich zurückkehrende und sich setzende Wesen. Nach diesem Momente der aufgehobenen Reflexion erhält das Gesetzte die Bestimmung der Unmittelbarkeit, eines solchen, das außer der Beziehung oder seinem Scheine identisch mit sich ist. Dies Unmittelbare ist das durch das Wesen wiederhergestellte Sein, das Nichtsein der Reflexion, durch das das Wesen sich vermittelt. In sich kehrt das Wesen zurück als negierendes; es gibt sich also in seiner Rückkehr-in-sich die Bestimmtheit, die eben darum das mit sich identische Negative, das aufgehobene Gesetztsein und somit ebensosehr seiendes als die Identität des Wesens mit sich als Grund ist.
Der Grund ist zuerst absoluter Grund, in dem das Wesen zunächst als Grundlage überhaupt für die Grundbeziehung ist; näher bestimmt er sich aber als Form und Materie und gibt sich einen Inhalt.
Zweitens ist er bestimmter Grund als Grund von einem bestimmten Inhalt; indem die Grundbeziehung sich in ihrer Realisierung überhaupt äußerlich wird, geht sie in die bedingende Vermittlung über.
Drittens, der Grund setzt eine Bedingung voraus; aber die Bedingung setzt ebensosehr den Grund voraus; das Unbedingte ist ihre Einheit, die Sache an sich, die durch die Vermittlung der bedingenden Beziehung in die Existenz übergeht.
Anmerkung
Der Grund ist wie die anderen Reflexionsbestimmungen in einem Satze ausgedrückt worden: Alles hat seinen zureichenden Grund. - Dies heißt im allgemeinen nichts anderes als: was ist, ist nicht als seiendes Unmittelbares, sondern als Gesetztes zu betrachten; es ist nicht bei dem unmittelbaren Dasein oder bei der Bestimmtheit überhaupt stehenzubleiben, sondern davon zurückzugehen in seinen Grund, in welcher Reflexion es als Aufgehobenes und in seinem Anundfürsichsein ist. In dem Satze des Grundes wird also die Wesentlichkeit der Reflexion-in-sich gegen das bloße Sein ausgesprochen. - Daß der Grund zureichend sei, ist eigentlich sehr überflüssig hinzuzusetzen, denn es versteht sich von selbst; das, für was der Grund nicht zureicht, hätte keinen Grund, aber alles soll einen Grund haben. Allein Leibniz, dem das Prinzip des zureichenden Grundes vornehmlich am Herzen lag und der es sogar zum Grundsatz seiner ganzen Philosophie machte, verband damit einen tieferen Sinn und wichtigeren Begriff, als gewöhnlich damit verbunden wird, indem man nur bei dem unmittelbaren Ausdruck stehenbleibt; obgleich der Satz auch nur in diesem Sinne schon für wichtig anzusehen ist, daß nämlich das Sein als solches in seiner Unmittelbarkeit für das Unwahre und wesentlich für ein Gesetztes, der Grund aber für das wahrhafte Unmittelbare erklärt wird. Leibniz aber stellte das Zureichende des Grundes vornehmlich der Kausalität in ihrem strengen Sinne, als der mechanischen Wirkungsweise, entgegen. Indem diese eine äußerliche, ihrem Inhalte nach auf eine Bestimmtheit beschränkte Tätigkeit überhaupt ist, so treten die durch sie gesetzten Bestimmungen äußerlich und zufällig in eine Verbindung; die Teilbestimmungen werden durch ihre Ursachen begriffen; aber die Beziehung derselben, welche das Wesentliche einer Existenz ausmacht, ist nicht in den Ursachen des Mechanismus enthalten. Diese Beziehung, das Ganze als wesentliche Einheit, liegt nur im Begriffe, im Zwecke. Für diese Einheit sind die mechanischen Ursachen nicht zureichend, weil ihnen nicht der Zweck als die Einheit der Bestimmungen zugrunde liegt. Unter dem zureichenden Grunde hat Leibniz daher einen solchen verstanden, der auch für diese Einheit zureichte, daher nicht die bloßen Ursachen, sondern die Endursachen in sich begriffe. Diese Bestimmung des Grundes gehört aber noch nicht hierher; der teleologische Grund ist ein Eigentum des Begriffs und der Vermittlung durch denselben, welche die Vernunft ist.
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